Nachtzugliebe: Wie alles begonnen hat

In den Nachtzug einsteigen, schlafen legen, am Ziel aufwachen. Viele begreifen den Nachtzug als das, was er ist: ein Verkehrsmittel. Für mich ist er viel mehr. Ein rollendes Bett, ein Bett mit Charme und Atmosphäre, eine Gelegenheit für Gespräche mit Menschen, die ich nur dieses eine Mal im Nachtzug treffe.

Nachtzug: alleine am Bahnsteig

Ich erinnere mich noch genau an meine erste Fahrt in einem Nachtzug. Es war eine kühle Nacht Ende September, der Würzburger Hauptbahnhof ist leer. Am Gleis wartet ein einziger Fahrgast auf den Nachtzug nach Hamburg, Abfahrt gegen halb drei: ich. Mein Liegewagen hält genau vor mir, die Zugchefin nimmt mich in Empfang, bringt mich zu meinem Abteil. Klopft leise an. Vier Liegen hat das Abteil, drei sollten belegt sein. Sie klopft nochmal und nochmal, lauter und lauter. Niemand öffnet. Ich frage sie, ob es ein anderes Abteil für mich gibt. Gibt es nicht.

Liegewagen: Glück gehabt

Irgendwann greift sie zu ihrem dicken Schlüsselbund, als sie vorhin vor mir durch den Zug lief, klapperten die Schlüssel lautstark wie Schlüssel eines Gefängniswärters. Sie findet den richtigen Schlüssel für mein Abteil, schließt auf: dunkel, leer, keiner da. Hinter mir fällt die Türe zu. Ich bin alleine, der Zug rollt inzwischen gleichmäßig vor sich hin. Es ist kurz nach halb drei, mitten in der Nacht – und ich bin hellwach. Zu aufregend ist diese erste Fahrt in einem Nachtzug.

Ich lege mich auf eine der beiden unteren Liegen, mache es mir gemütlich – und döse doch ein wenig, stelle ich am nächsten Morgen gar nicht so übernächtigt fest. Natürlich wache ich weit vor Hamburg auf, genieße die Ruhe in „meinem“ Abteil und schaue aus dem Fenster. Plötzlich sind wir kurz vor Hamburg, ich packe schnell alles zusammen, bloß nichts vergessen, und steige in Hamburg aus. Ich reise weiter nach Norderney, lasse mir viel Meerluft um die Ohren wehen. Zurück nach Würzburg geht es dann ohne Nachtzug.

Dieser Text erschien im Magazin „Theo“ in der Ausgabe 1/2025.

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